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Zurück in die Heimat - Zurück nach Russland Eine wolgadeutsche Familie kehrt zurück zu Mütterchen Russland |
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Nach einem Versuch in Deutschland Fuß zu fassen, leben Aljona und Mischa Riedel jetzt wieder auf einem Bauernhof an der Wolga und sind glücklicher als in Deutschland. Was haben sie hier, was sie in Deutschland nicht hatten? |
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Alle kannten Deutschland lediglich aus Büchern, Zeitschriften und vom Hörensagen „Mein Vater“, erklärt Aljona: „wollte unbedingt nach Deutschland.“ Alle kannten dieses Land lediglich aus Büchern, Zeitschriften und vom Hörensagen. Sie wussten, dass es zwei deutsche Staaten gab, einen kapitalistischen und einen sozialistischen Teil. Und sie haben über den Rundfunk erfahren, dass sich dort viel getan hatte in den vergangen siebzehn Jahren, dass es eine Vereinigung gegeben hat und dass die Menschen glücklich seien, jetzt mit ihren Verhältnissen. „Nur, dass es sich um ein kapitalistisches Deutschland handelt“, ergänzt Mischa: „hat man uns verschwiegen.“ „Wir wissen jetzt“, meint Aljona: „was der Unterschied zwischen beiden Systemen war. Und das wir damals keinen Sozialismus hatten. Und das die damalige Regierung dieses kapitalistische System verdammt verharmlost hatte.“ „Meine Mutter hatte hier als Kindergärtnerin gearbeitet“, erzählt Aljona: „sie liebte ihre Arbeit.“ Eigentlich wollte sie diese gar nicht aufgeben. Doch, da der Vater bereits Rentner war und Aljonas Bruder ihm erzählte, dass es den Rentnern in Deutschland besonders gut gehen würde, ließ sich auch die Mutter überreden. „Das ist noch eine Generation“, erklärt Aljona: „wo gemacht wird, was der Mann sagt.“ Vier Monate nach dem Aljonas Bruder mit seiner Familie nach Deutschland übersiedelte, folgten nun auch die Eltern.
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„Natürlich war es verpönt, sich außerhalb der vertrauten Umgebung deutsch zu unterhalten.“ Aljona Riedel, geborene Schneider, stammt aus dem Städtchen Marx, dem ehemaligen Katherinenstadt, einst der Hauptstadt der Wolgadeutschen. Die Deutschen wurden durch Katarina die Große nach Russland gelockt. Das war im 18. Jahrhundert. Es kamen vornehmlich arme, überschuldete, aber auch mit fundierendem Wissen ausgestattete Bauern und Handwerker in die Wolgaregion. Sie siedelten nicht ohne große Vorteile über, die Befreiung von der Wehrpflicht und eigener Grund und Boden waren mindestens dabei. Damals wurde ausschließlich deutsch gesprochen. Es gab deutsche Schulen und Kirchen. Doch den folgenden Zaren waren die Privilegien der Deutschen auf ihrem Territorium ein Dorn im Auge. Erst unter Lenin wandte sich das Blatt wieder zu ihren Gunsten. Eine eigenständige autonome Republik der Wolgadeutschen wurde gegründet. Allerdings waren viele dieser Deutschen gar nicht mehr dafür, hatten sich doch die beiden Völker schon sehr vermischt. Zu Ende war der Traum als Lenin 1924 starb. Erst 1991 konnte der neue Rayon gegründet werden. „Natürlich war es verpönt“, berichtet Mischa: „sich außerhalb der vertrauten Umgebung deutsch zu unterhalten.“ „Aber Angst davor“, fügt Aljona hinzu: „hatten wir nicht. Die Russen sind doch unsere Freunde.“ Die Angst rührt mehr aus der Zeit Stalins, der Zeit der großen Säuberungen und zog sich bis zur politischen Wende 1990 hin. Zu diesem Zeitpunkt verfügte ein Gesetz unter dem damaligen Präsidenten Boris Jelzin, dass die Russlanddeutschen wieder ihren eigenen Rayon bekamen. „Damals wurde viel verändert“, meint Mischa: „zu dieser Zeit floss viel Geld. Russland wollte seine Schulden mindern und die Regierung von Helmut Kohl holte uns mit luftigen Versprechungen nach Deutschland.“ „Der Grund, warum wir nach Deutschland sollten“, ergänzt Aljona: „ist uns heute noch nicht klar.“ „Im Rayon Omsk“, sagt Mischa: „wollten die Russlanddeutschen Herrn Kohl sogar ein Denkmal bauen.“ Soweit er weiß, ist es nicht genehmigt wurden.
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„Eigentlich war es ein sozialer Abstieg“ In Deutschland kamen die Riedels zunächst nach Hamm in ein Übergangsheim. Zwei Monate später bezogen sie eine 52-Quadratmeter-Wohnung für vier Personen. Das konnten sie sich leisten. Das Übergangsgeld fiel mit 320 Euro pro Person für Ihre Familie recht üppig aus. „Wir bekamen sogar das Geld für unsere Anreise aus unserem Dorf erstattet“, berichtet Aljona. Auch der sechsmonatige Sprachkurs, den die Familie mühelos absolvierte, wurde ihnen bezahlt. Dann begannen die Schwierigkeiten. Ihre Arbeitssuche gestaltete sich schwierig. „Ich bekam eine Stelle als Erzieherin zugewiesen“, erzählt Aljona. Eigentlich war es eine Umschulung, ein sozialer Abstieg eben, denn sie hat in Russland als Lehrerin gearbeitet. Eine Arbeit, die sie sehr liebte. „In Deutschland gibt es so viel, was man nicht durfte“, erklärt sie weiter: „da wird kaum Liebe gegeben, da ist nur ein Job. Beim Mittagsschlaf durften die Kinder nicht ausschlafen, sie wurden geweckt, wenn die Zeit um war.“ Und Aljona erzählte von Kindern, die zur Mittagszeit kein Essen bekamen, weil ihre Eltern nicht bezahlt hatten. Vor allem seien sich die Erzieherinnen nicht einig, was die eine verbot, erlaubte eine andere sofort. Da seinen die Kinder kaum noch zu halten, beklagt sie. „Und den Kindergarten musst du bezahlen“, ergänzt ihr Mann: „für alles musst du bezahlen.“ Immer jemanden um Hilfe bitten, das lastete sehr auf der Familie. Die alltäglichen Fragen erschienen ihnen zum Problem zu werden. Wo bekommt man einen Rechtsanwalt her? Wo kann man ein Formular ins Russische übersetzen lassen? An welcher Schule kann man die Kinder anmelden? Welches Finanzamt ist für uns zuständig? Und vor allem, was kostet das alles?
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„Die gebratenen Hühner fliegen einem nicht ins Maul“ Was hat ihr nun in Deutschland gefallen? Sie berichtet von der Selbständigkeit und Unabhängigkeit der Frauen, räumt gleichzeitig allerdings ihr mangelndes Selbstbewusstsein ein. Da bemerkt sie schon einen Unterschied zwischen Hamm und Dresden. In Ostdeutschland sei das Auftreten der Frauen etwas selbstsicherer, weniger gekünstelt als im Westen. Sie spricht von Vorzügen, die sie auch in ihrem Dorf gern hätte, wie eine Waschmaschine oder eine Fernheizung. Manchmal sei das Leben in Russland sehr anstrengend, da müsse sich die Frau um vieles kümmern, die Kinder betreuen, das Haus pflegen und die Tiere versorgen. Trotz den kleinen Schwierigkeiten an der Wolga, steht Aljona kritisch dem klischeehaften Bild vieler Wolga- und Russlanddeutschen gegenüber. „Auch wenn das Leben in Deutschland bequem ist“, meint sie: „die gebratenen Hühner fliegen einem nicht in den Mund.“ Arbeit finden die meisten nur schwer, nicht mangels Bildung, da können sie locker mithalten, sondern mangels Deutschkenntnissen.
Heute leben die Riedels wieder in Russland. Ruhig fließt die Wolga dahin. Tagein, tagaus treibt Mischa seine Herde Kühe auf die unendlich scheinenden Weideflächen. Liebevoll gibt er den Kühen einen Schlag auf ihre Hinterteile. „Das mache ich jeden Tag“, erzählt Mischa freudestrahlend: „Ich stehe mein ganzes Leben im Mist.“ Auch Aljona hat ihre alte Stelle als Lehrerin wieder bekommen. Es geht ihnen gut, sie fahren ein Auto und jedes Jahr einmal in den Altai zum Urlauben. „Was die Zukunft bringen wird, wie sich Russland entwickelt, das weiß ich nicht“, sagt Mischa: „Doch solange wir noch bei Kräften sind und unseren Kopf zu gebrauchen wissen, solange werden wir hier leben. Es ist schön zu Hause zu sein.“ „Na sdarowje“, verkündet Aljona und die beiden heben ihre Gläser, gefüllt mit Wodka, ex und weg.
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